Freitag, 28. Oktober 2011

Hans zu verklemmt, Ahmet zu prollig von Özlem Topcu


Hans zu verklemmt, Ahmet zu prollig

Elif Cindik ist Psychiaterin. Sie hört sich jeden Tag in ihrer Praxis die Geschichten der Menschen an, denen der Wechsel von der Türkei nach Deutschland zu schaffen macht.
Auswandern ist Stress pur für den Geist. Die Psychologie teilt sie in vier Phasen auf: die erste ist die »Honeymoon«-Phase, in der sich der Migrant sicher fühlt, weil er Armut und Perspektivlosigkeit hinter sich gelassen hat und einem neuen Leben entgegensieht; die zweite Phase ist von »Überkompensation« geprägt. Der Migrant gibt sich der Illusion einer Rückkehr in die alte Heimat hin, die er verklärt: Dort war alles schöner, dorthin will er irgendwann, wenn er genug Geld verdient hat, wieder zurück. Diese Phase kann lange anhalten.
Danach folgt eine Periode der »Dekompensation«: Der Migrant hat mittlerweile Kinder in der Fremde, die seine Werte nicht mehr bedingungslos teilen. Die Tochter hat einen deutschen Freund, der Sohn will lieber Schauspieler werden und nicht Anwalt, wie es sich seine Eltern erträumen, und auch die Erwartungen an das Auswanderungsland haben sich womöglich nicht erfüllt. Langsam schleicht sich ein Gefühl ein: Die alte Heimat und ihre Menschen sind fremd geworden. In der vierten Phase steht eine generationenübergreifende Anpassung an, in der sich gemischte Ehen und bikulturelle Identitäten herausbilden. »Diese letzte Phase wird von Politik und Medien verhindert. Dabei muss man sie eigentlich verstehen und fördern«, sagt Elif Cindik.
Sie kennt die vier Phasen gut. Die 41-Jährige begegnet ihnen jeden Tag in ihrer Münchner Praxis. Jeden Tag hört sie dort die Geschichten der Menschen, denen der Wechsel von der Türkei nach Deutschland zu schaffen macht – nicht nur ihnen, sondern auch ihren Nachkommen. Schwule türkische Männer, die sich wegen ihres Schwulseins hassen und sie inständig bitten: »Therapieren Sie mir das weg!« Heiratsmigrantinnen, die noch nie »ihre Scheide im Spiegel« betrachtet haben, so Cindik, und aus Angst den ersten Sex verweigern – jahrelang. Männer, die depressiv werden, weil sie nach 30 Jahren am Band bei BMW arbeitslos geworden sind und nun für Schmarotzer gehalten werden. Lesbische türkische Frauen, deren Mütter mit Selbstmord drohen, wenn die Töchter nicht »damit« aufhören. Oder junge türkische Frauen, die unter dem Druck stehen zu heiraten, aber keine Männer finden, weil ihnen Hans zu verklemmt und Ahmet zu prollig ist.
  • 50 JAHRE TÜRKISCHE EINWANDERER
Am 30. Oktober 1961 unterzeichneten die Bundesrepublik und die Türkei einen Vertragüber die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte. Seit 50 Jahren gibt es also eine gemeinsame Geschichte von Türken und Deutschen, oft hinter Integrationsdebatten verborgen. Und es gibt Geschichten – tragische, heitere und bewegende.
Cindik hat gut zu tun. Unter ihren Patienten ist die türkische Putzfrau und der aufstrebende türkischstämmige Manager, aber auch der niederbayerische Metzger. Sie eint die Suche nach Hilfe und das Bedürfnis, ihr Leid in ihrer Muttersprache zu erzählen. »Auch wenn sie diese nur noch radebrechen«, sagt sie. Viele der in Deutschland Aufgewachsenen fingen auf Türkisch an, um dann die Sprachen zu mixen.
Es gibt nicht viele wie Cindik. Die psychosoziale Versorgung in Deutschland ist eine fast komplett türkenfreie Zone.
von Özlem Topcu erschienen in DIE ZEIT am 20.10.11

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Einmal Lachen so gesund wie 20 Minuten Joggen


Lachen ist gesund: Es lockert die Muskeln, befreit aufgestaute Emotionen, setzt Glückshormone frei. Kinder beherrschen diese Gefühlsäußerung am besten. Sie lachen laut wissenschaftlicher Untersuchung rund 400 Mal am Tag. Erwachsene lachen nur 15 Mal am Tag – viel zu selten, sagen Experten.
Erwachsene dagegen kommen im Schnitt nur noch auf 15 Lacher: „Das ist viel zu wenig. Viele wissen gar nicht, was ihnen dadurch verloren geht“, sagt Ikechukwu Simeon Omenka. Der 52-Jährige aus Nigeria ist Lach-Trainer in Lindau, wo derzeit die 58. Psychotherapie-Wochen stattfinden. Die Organisatoren erwarten zu dieser Fachtagung bis zum 25.April rund 4000 Teilnehmer. Schwerpunkt ist das Thema „Lachen“.
Omenka ist jede Art von Lachen willkommen. „Der Körper kann nicht unterscheiden, ob es ein echtes oder falsches Lachen ist. Er profitiert von beiden Formen.“ Ein indischer Arzt habe herausgefunden, dass zwei Minuten Lachen für Körper und Geist so gesund sind wie etwa 20 Minuten Joggen. Unter dem Motto „Lachen ohne Grund“ bietet Omenka den Teilnehmern während der ersten Fortbildungswoche in jeder Mittagspause Übungen zur Entspannung an.

Am ersten Tag kommen knapp 100 Frauen und Männer, um unter Anleitung zu lachen. Sie scheinen zunächst skeptisch, als sie auf Kommando ein „Hahaha, hohoho, hihihi“ von sich geben sollen. Doch es dauert nicht lange, bis Omenka sie mit seinem Lachen ansteckt und das aufgesetzte, falsche Lachen in ein echtes übergeht. Eine Teilnehmerin kann gar nicht mehr aufhören und lacht auch noch, als sie den Saal verlässt. Sie will am nächsten Tag auf jeden Fall wieder mitlachen. „So kann Fortbildung richtig Spaß machen."

Ärzte, Psychologen und Therapeuten aus Europa, aber auch aus Israel und den USA, sind zu der zweiwöchigen Fachtagung an den Bodensee gekommen. „So viel ich weiß, ist dies weltweit die größte Fortbildungsveranstaltung zur Psychotherapie“, sagt Professor Manfred Cierpka, Wissenschaftlicher Leiter des Kongresses. Das Interesse des Fachpublikums werde von Jahr zu Jahr größer.

In diesem Jahr stehen die Themen „Lachen“ und „Weinen“ im Mittelpunkt der Veranstaltung. Mit diesen Phänomenen können sich die Teilnehmer in 300 Vorträgen, Seminaren und Diskussionsrunden auseinandersetzen. „Lachen und Weinen hängen sehr stark mit Emotionen zusammen. Und die sind zentraler Bestandteil der Psychotherapie“, sagt Cierpka. Doch nicht immer habe Lachen etwas mit Freude zu tun. Oft tauche es auch in Verbindung mit Ärger, Angst, Verachtung oder Trauer auf. „Es ist wichtig, hinter dieses Lachen zu sehen."

Experte in Sachen Emotionsforschung ist Professor Rainer Krause von der Universität Saarbrücken. Er legt in seinem Vortrag „Das Lachen des Forschers“ die Grundlage für ein Leitthema. Dabei geht er auf den Unterschied zwischen echtem und falschem Lachen ein und beschreibt, wie prägend der Ausdruck von Freude für Neugeborene ist. „Ein Kind sucht in den ersten sechs Monaten bis zu 30.000 Lächelbegegnungen zur Mutter.“ Viel Freude bereitet der Wissenschaftler den rund 1000 Besuchern im Saal der Inselhalle mit seiner lebhaft dargestellten Mimikanalyse. Aber auch seine Erkenntnisse über geschlechtsspezifisches Lachen amüsieren das Publikum.
Das hochfrequente stimmhafte Lachen einer Frau etwa wirke auf Männer sehr unterschiedlich. Dies reiche von „gesangsähnlich erotisierend“ bis hin zum Ausdruck „galoppierender Hysterie“.
von Birgit Klimke
Artikel wurde entnommen aus der Welt Link http://www.welt.de/wissenschaft/article1906639/Einmal_Lachen_so_gesund_wie_20_Minuten_Joggen.html

Dienstag, 11. Oktober 2011


Leiden an der Fremde
Gegensätzliche Wertewelten schaffen Probleme


Beitrag unter folgendem Link zum Download http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=27264

Wegen einer deutlich erhöhten Suizidrate türkischstämmiger junger Frauen und Mädchen fordert die Psychiaterin Meryam Schouler-Ocak mehr kulturspezifische Beratungen.
2004 habe die Auswertung einer Statistik über Todesursachen erstmals gezeigt, dass türkischstämmige junge Frauen besonders gefährdet seien, sagte die Oberärztin der Berliner Charité und des St. Hedwig-Krankenhauses. Die Gründe dafür lägen vor allem in nicht bewältigten kulturellen Unterschieden.
Junge Frauen und Mädchen kämen häufig nicht mit den gegensätzlichen Wertewelten ihrer Eltern und der einheimischer Jugendlicher zurecht, erläuterte Schouler-Ocak. Sie hätten Probleme mit strengen Verboten ihrer Eltern, mit der eigenen Identität, Verheiratung oder Sexualität. Auch die Beweggründe suizidgefährdeter Frauen mittleren Alters hätten sie und ihr Team untersucht. Dabei gehe es häufig um wirtschaftliche Zwänge, Untreue des Partners oder häusliche Gewalt. Ältere Frauen vereinsamten zunehmend und fühlten sich als Verlierer der Migration.
In einem dreijährigen vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekt habe das Team außerdem Vorschläge für Beratungsmethoden entwickelt, erläuterte die Psychotherapeutin. Viele Einrichtungen und Städte warteten bereits auf Ergebnisse, weil auch sie mittlerweile einen großen Bedarf sähen. In Berlin seien 220 Ärzte, Lehrer und Mitarbeiter von Beratungsstellen geschult worden. Zudem habe es bereits eine Aufklärungskampagne und eine Hotline gegeben. Diese habe den dringenden Bedarf für Beratungsangebote bestätigt.
Wichtig sei es, Informationskampagnen zu entwickeln, forderte Schouler-Ocak, deren Familie ebenfalls aus der Türkei stammt, denn die meisten türkischstämmigen Frauen wüssten schlicht nicht, wo und wie sie Hilfe und Beratung bekommen könnten. Dabei müsse berücksichtigt werden, dass Suizid und psychische Probleme in türkischen Familien noch viel mehr als in deutschen ein Tabuthema seien: "Es gilt, dass schambesetzte Probleme zuerst und am besten nur in der Familie besprochen werden." Eine Vertrauensperson sei höchstens der Hausarzt.
"Wir müssen das Andere erst einmal akzeptieren"
Eine türkischsprachige Psychotherapeutin, die heute bereits eine speziell auf muslimische Migranten zugeschnittene Therapie anbietet, ist Elif Cindik aus München. In ihrer Therapie berücksichtigt sie den kulturellen und religiösen Hintergrund ihrer Patienten. "In der interkulturellen Behandlung ist es ganz besonders wichtig, das Fremde, das Andere, erst einmal so zu akzeptieren, dem Patienten mit Empathie und Offenheit zu begegnen damit der Vertrauen schöpft und auf einen zugeht, damit er sich öffnet", erklärt Cindik. Sie ist die einzige Psychiaterin in München und Umgebung, die in türkischer Sprache interkulturell arbeitet, ihre Patienten kommen teilweise auch aus Österreich.
Auch in anderen Städten im deutschsprachigen Raum gibt es bereits psychologische Beratungs- und Therapieangebote für Migranten:
Deutschland
GTPDie Gesellschaft für türkissprachige Psychotherapie (GTP) bietet eine ausführliche Liste von türkissprachigen Psychotherapeuten und psychosozialen Beratern.
DTGPPAdressen von Therapeuten und Beratungsstellen kann man auch bei der Deutsch-türkischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DTGPP) anfordern.
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie EssenDas Klinikum der Universität Duisburg-Essen bietet eine interkulturelle und türkischsprachige Ambulanz an, an die sich türkisschstämmige Menschen mit psychischen Problemen wenden können.
LVR-Klinikum DüsseldorfDie Abteilung Interkulturelle Psychiatrie am LVR-Klinikum in Düsseldorf bietet psychiatrisch-psychotherapeutische Therapien für ausländische Bürger an. Die Mitarbeiter sind in interkultureller Psychiatrie geschult.
Berliner KrisendienstDer Berliner Krisendienst bietet generell für alle Menschen Hilfe in Krisensituationen an. Immer dienstags zwischen 9.00 und 16.00 Uhr ist dort eine türkische Mitarbeiterin erreichbar.
Österreich
CBIFDas Centrum für Binationale und Interkulturelle Paare und Familien (CBIF) bietet Information, Beratung und Psychotherapie bei Fragen und Problemen, die sich aus der Migration und dem multikulturellen Zusammenleben ergeben.
ZebraDas Interkulturelle Beratungs- und Therapiezentrum "Zebra" bietet eine anonyme psychiatrische Beratung und Psychotherapie für Migranten an.
Schweiz
Rotes KreuzDas Schweizerische Rote Kreuz bietet Merkblätter zu verschiedensten psychischen Problemen zum Herunterladen an. Die meisten der Blätter sind auch in zahlreichen Fremdsprachen erhältlich.

Samstag, 8. Oktober 2011

"The most common way people give up their power is by thinking they don't have any." Alice Walker

Please take your time to watch the link about Women only being judged by their looks instead of their intellectual capacity to contribute to politics and other important fields of society.

Of the 190 heads of state, nine are women. Of all the people in parliament in the world, 13 percent are women. In the corporate sector, women at the top, C0level jobs, board seats, tops out at 15, 16 percent.


Miss Representation 8 min. Trailer 8/23/11 from Miss Representation on Vimeo.

Freitag, 7. Oktober 2011

Die Kunst des Müßiggangs

Müßiggang ist aller Liebe Anfang
Von Fritz Reheis
Gymnasiallehrer in Neustadt bei Coburg

Diesem Satz von Christa Wolf soll ein zweiter von Robert Walser folgen: »Wären wir ruhiger, langsamer, so ginge es uns besser, ginge es schneller mit unseren Angelegenheiten voran.«. Beide Zitate markieren die Richtung einer zeitökologischen Glückskonzeption. Die Ökologie der Zeit fordert nicht den Verzicht auf Lust, sondern vielmehr das Ende des Verzichtens, genauer: den Verzicht auf jene Formen des Genießens, die man in Anlehnung an die Glücksphilosophie Epikurs als »dumme« Lust bezeichnen kann. Die kluge Lust ist dadurch gekennzeichnet, dass wir uns hinterher nicht ärgern müssen, wenn uns nach einer durchzechten Nacht der Kopf zerspringen möchte, wenn wir nach dem Schnäppchenkauf eines Autos die eigentliche Rechnung erst in der Reparaturwerkstatt präsentiert bekommen, wenn wir in unserer Gier nach Bauland die Natur zurückdrängen und uns dann plötzlich in einer Betonwüste wiederfinden.

In die Sprache der Ökologie der Zeit übersetzt: Wer in der Gegenwart seine Lust maximieren will, der muss auch an die Zukunft denken, damit er auf der schnellen Suche nach Lust nicht ebenso schnell in einer Beschleunigungsfalle landet. Um kluge Lust durch Müßiggang entdecken zu können, sollten wir zuallererst die Einfalt der dummen Lust überwinden - die Fixierung auf materiellen Konsum, Geld und auch auf Arbeit. Das Arbeitsethos ist nichts anderes als die Begleitmusik zur Ideologie von der Klugheit und Fairness des Marktes und zum Mythos der Leistungsgesellschaft.

Man muss immer wieder in Erinnerung rufen, dass zwar die Arbeit so alt wie der Mensch selbst ist, ihre ideologische Verklärung aber erst seit wenigen Jahrhunderten die Köpfe der Menschen verdreht. In der griechischen Antike war Arbeit Sache der Sklaven, eines freien Bürgers unwürdig. Dessen Aufgabe waren die Staatsgeschäfte, die Pflege von Kultur und Wissenschaft und nicht zuletzt der schlichte Genuss des Lebens, die Veredelung des Genießens.

Heraklit von Ephesos soll sich seines Vermögens, das er mit selbst erfundenen Ölmühlen erworben hatte, geschämt haben. Aber nicht deshalb, weil darin Sklaven arbeiten mussten, sondern weil er hohe mathematische Ideen durch ihre kommerzielle Anwendung quasi entweiht hatte. Auch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit verboten Tradition und Recht dem Adel als der führenden Schicht der Gesellschaft jegliche gewerbliche Betätigung. Erst das Christentum begann mit der Aufwertung der Arbeit. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, heißt es schon im Neuen Testament. Die katholische Kirche setzte Gebet und Arbeit als unterschiedliche Formen des Dienstes an Gott gleich. Der Calvinismus verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass der berufliche Erfolg eines Menschen das Zeichen Gottes für die Auserwähltheit dieses Menschen sei. Und als die Deutsche Arbeiterpartei, die spätere NSDAP, 1920 in ihr Parteiprogramm die »Adelung der deutschen Arbeit« aufnahm, konnte sie direkt an dieses christliche Arbeitsethos anschließen.

Heute jedoch, nachdem sich die menschliche Produktivkraft vor allem in den letzten 200Jahren historisch beispiellos entwickelt hat, verrichten Sklaven aus Eisen einen Großteil der Knochenarbeit und Sklaven aus Silizium einen Großteil der Denkarbeit. »Eine ungeheure Wende, eine wahrhaftige Revolution liegt hinter uns«, schreibt der Münchner Journalist Christian Schütze in seinem Essay Frieden durch Faulheit »Biblisch gesprochen, haben wir uns vom Arbeitsfluch, der seit der Vertreibung aus dem Paradies auf uns Menschen lastet, freigeschafft - nicht wir allein, sondern ungezählte Generationen vor uns haben daran mitgewirkt.

SCHNELLER

HÖHER

WEITER

aber wohin ?

(auf einer Postkarte)

Die Früchte getaner Arbeit fallen uns jetzt überreich in den Schoß.« Wer heute noch den Sinn des Lebens und seinen eigenen Selbstwert wie selbstverständlich aus Arbeit und beruflichem Erfolg ableiten möchte und obendrein Arbeitsunwillige als Drückeberger und Schmarotzer diskriminiert, hat diesen Wandel nicht begriffen. Es ist an der Zeit, mit der dummen Lust auch die Arbeitsgesellschaft zu begraben, um mit der klugen Lust eine neue Gesellschaft der Muße zu begründen. Dass in ihr unter anderem auch gearbeitet wird, das ist und bleibt die Konsequenz des menschlichen Wesens.

Der Erziehungswissenschaftler Joseph Tewes hat in der Einleitung zu dem Buch Nichts Besseres zu tun - über Muße und Müßiggang eine treffende Charakterisierung des müßigen Verhaltens gegeben, die auch auf die kluge Lust übertragbar ist: Müßiges Verhalten ist erstens eine uralte Vorstellung von Vollkommenheit, davon also, wie Menschen ihr Leben leben wollen. »Wer ruhig und still ist, wird zum Führer des Alls« schreibt Lao Tse im 6.Jahrhundert v.Chr. Gemeint ist vermutlich, dass müßige Ruhe und Stille die beste Gewähr dafür bieten, zu erkennen, wie tief wir in unserem Leben in die kosmische Ordnung eingebunden sind.

Durch diese Erkenntnis lernen wir, uns selbst und unsere Bedürfnisse nicht ganz so wichtig zu nehmen. Ruhe und Stille einerseits und Selbstreflexion und Spiritualität andererseits befruchten sich gegenseitig - eine fundamentale Synergie zur Bereicherung des Lebens. Müßiges Verhalten dient zweitens nicht einem äußeren Ziel, sondern trägt seinen Sinn in sich. Während wir im Allgemeinen gewöhnt sind, die Mittel unseres Verhaltens auf einen Zweck hin zu beziehen, den es zu erreichen gilt, gehen im müßigen Verhalten Mittel und Zweck ineinander über. So wie der Sinn dieses Verhaltens in sich selbst ruht, ist dieses Verhalten drittens auch aus sich selbst heraus erstrebenswert und lustvoll.



Der Müßige fühlt sich in seiner Muße wohl und geborgen. Müßiges Verhalten ist viertens aktiv und passiv zugleich. Müßiges Verhalten ist »tätiges Nichts-Tun«, bei dem es genauso viel auf das Tun wie auf das Geschehenlassen ankommt. Und dies führt uns fünftens zu jenem Charakteristikum, das für eine Ökologie der Zeit besonders wichtig ist: Müßiges Verhalten ist nicht einseitig linear ausgerichtet, sondern es kreist auch um sich selbst. Wichtig ist deshalb nicht primär, wie lange etwas dauert, also der Chronos-Aspekt der Zeit, sondern der richtige Augenblick, also der Kairos.

Zum fünften Merkmal der Muße, dem Geschehenlassen, gehört das Warten. Von den müßigen alten Griechen heißt es, sie hätten auf das »Geschenk der Götter« gewartet. Wenn wir heute die Kunst des Müßiggangs als tätiges Nichtstun pflegen, können wir auf etwas anderes warten: auf einen schöpferischen Moment, an dem etwas wie von selbst geschieht - dass sich plötzlich ein bestimmtes Gefühl einstellt, eine Entdeckung gemacht wird, eine Fügung ergibt. Warten, bis etwas innerlich gereift ist und dann wie von selbst herausbricht. Ein Freund hat mir zum Beispiel erzählt, dass er vor kurzem innerhalb von zwei Tagen ein komplettes Schlafzimmer gebaut habe, mit allem Drum und Dran, nachdem er dieses Projekt zwei Jahre lang vor sich hergeschoben habe. Hätte er nicht gewartet, bis es reif war, sondern es pflichtgemäß rechtzeitig erledigt, hätte er, so seine Einschätzung, bestimmt acht Wochen gebraucht - und es wäre dennoch nichts Rechtes geworden.

Beim Warten auf den richtigen Augenblick kommt es auf die wache Aufmerksamkeit an. Dies ist der aktive Teil des tätigen Nichtstuns. Der Wartende sollte sich deshalb vor zerstreuenden Aktivitäten hüten, sollte seine Sinne wach halten und verfeinern, eine »vernehmende Vernunft« entwickeln. Gemeint ist die Fähigkeit, »schauen zu können, ein Schauen, das das Allgemeine, die Ordnung der Dinge, ihr Wesen, ihren Grund unmittelbar erkennt. Muße schaut die Welt an, den Himmel, ein Stück Gartenland - lassend, staunend, vernehmend, erkennt sie mit Leichtigkeit und wie von selbst das Zusammengehören von Mensch und Natur, sie bemerkt die Ordnung des Ganzen und die Wahrheit als Offenheit des Seins.« Jeder hat dieses Glück des Müßigseins schon an sich selbst erlebt, aber jeder auf andere Weise - im Kontakt mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit der Natur.

Mittwoch, 5. Oktober 2011

"stay hungry, stay foolish" Steve Jobs

“Your time is limited, so don't waste it living someone else's life. Don't be trapped by dogma - which is living with the results of other people's thinking. Don't let the noise of other's opinions drown out your own inner voice. And most important, have the courage to follow your heart and intuition. They somehow already know what you truly want to become. Everything else is secondary.” Steve Jobs

Take your time to watch his impressive speech at the Stanford commencement 2005

Sei nicht dein eigener Gegner, indem du schlecht über dich redest oder denkst. Sei dein bester Freund oder deine beste Freundin!

Selbstwertgefühl

Ein gesundes Selbstwertgefühl ist der Gegenpol zu Minderwertigkeitsgefühlen. Wenn wir ein gutes Selbstwertgefühl besitzen, dann bedeutet dies: wir glauben, liebenswert und wertvoll zu sein - trotz der Schwächen und Fehler, die wir alle haben.

Wer in seiner Kindheit geliebt wurde, das Gefühl hatte, willkommen zu sein und erlebt hat, dass man ihm etwas zutraut, der tut sich meist leichter, von seinem (Selbst)Wert überzeugt zu sein. Wer dagegen im Kindesalter ständig kritisiert, abgelehnt, gehänselt oder missbraucht wurde und viele Misserfolgserlebnisse hatte, hat eher ein mangelndes Selbstwertgefühl, da er denkt, nicht in Ordnung zu sein.

Wenn wir als Erwachsene unter einem schwachen Selbstwertgefühl leiden, dann deshalb, weil wir uns selbst ständig in Gedanken klein machen und uns einreden, wir seien minderwertig oder nicht liebenswert.

Auswirkungen eines fehlenden oder mangelnden Selbstwertgefühls

Wenn wir unseren Selbstwert und damit unser Selbstwertgefühl vom Urteil und der Anerkennung der anderen abhängig machen, dann stehen wir unter enormen Druck, anderen gefallen zu müssen. Wir tun fast alles, um andere nicht zu enttäuschen und von diesen Anerkennung zu bekommen. Und wir leben in der ständigen Angst vor Ablehnung durch andere.

Wenn wir an unserem Wert zweifeln und uns deshalb innerlich unsicher fühlen, dann "kratzen" uns kleinste negative Bemerkungen anderer, wir sind überempfindlich, ungeheuer sensibel und reagieren schnell gekränkt. Und natürlich ist unser Selbstbewusstsein im Keller. Man kann nicht selbstsicher auftreten, wenn man sich für minderwertig hält.

Je gesünder und positiver unser Selbstwertgefühl ist, umso weniger machen uns Kränkungen zu schaffen, umso gelassener können wir mit negativen Reaktionen unserer Umwelt umgehen. Persönliche Angriffe und Vorwürfe "kratzen" umso weniger, je positiver unser Selbstbild und damit unser Selbstwertgefühl und unser Selbstvertrauen sind.

Wenn wir uns selbst zu einem geringen Preis verkaufen,
dann wird ihn sicher kein anderer erhöhen.

Wie seinen Selbstwert und sein Selbstwertgefühl stärken?

Für unser Selbstwertgefühl sind wir selbst zuständig. D.h., wir entscheiden über unseren Selbstwert, indem wir uns für wertvoll oder minderwertig halten.

Niemand kann uns das Gefühl geben, minderwertig zu sein, wenn wir dies nicht zulassen.

Du bist liebenswert, wenn du dich dafür hältst. Dein Selbstwert hat nichts mit objektiven Kriterien wie deinem Kontostand, deiner Schulbildung, deinem Aussehen, deinen Noten in der Schule oder deiner Schuhgröße zu tun, sondern ist einfach der Glaube daran, dass du ein guter und liebenswürdiger Mensch bist. Dein Selbstbild entscheidet über deinen Selbstwert und dein Selbstwertgefühl.

Viele Menschen reden sich ein, dass sie minderwertig sind, weil sie zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu viele Fehler und Schwächen haben, nicht vollkommen sind.

Wenn wir unser Selbstwertgefühl stärken oder aufbauen möchten, dann müssen wir aufhören, uns gebetsmühlenartig in Gedanken klein zu machen. Wir müssen stattdessen beginnen, uns selbst mehr ein Freund als ein Feind zu sein, d.h. wir müssen beginnen, uns selbst gut zuzureden, uns selbst den Rücken zu stärken und uns selbst zu ermutigen kurzum, wir müssen unseren Selbstwert heben.

Wie wäre es mit dieser Einstellung, um Ihr Selbstwertgefühl zu steigern?
Ich bin nicht vollkommen, ich habe Fehler und Schwächen, ich habe noch nicht erreicht, was ich erreichen möchte, ich kann mich noch verbessern und mehr aus mir machen - trotzdem bin ich ein wertvoller und liebenswerter Mensch, einfach deshalb, weil ich mich dafür entscheide, mich so zu sehen.

Akzeptieren Sie Ihre Unvollkommenheit. Trennen Sie zwischen Ihrem Selbst und Ihrem Verhalten. Eine Stradivari bleibt eine Stradivari, auch wenn der Musiker ihr falsche Töne entlockt oder eine Seite reißt. Bewahren Sie sich Ihre Selbstachtung oder steigern Sie diese, wenn es Ihnen daran mangelt - sie ist das größte Geschenk, das Sie sich machen können. Und nur Sie - und sonst niemand - können sich dieses wertvolle Geschenk machen.

Sei nicht dein eigener Gegner,
indem du schlecht über dich redest oder denkst.
Sei dein bester Freund.

Text entnommen aus www.lebenshilfe-abc.de