Donnerstag, 16. Februar 2012

Die alten Gewohnheiten sollte man nicht aus dem Fenster werfen sondern nach einer genauen Prüfung ihres Ablaufdatums sie wie eine Art Gast höflich an die Haustür begleiten

Eine 31-jährige Anwältin, Tochter eines Kaufmanns, leidet unter Ängsten und Selbstwertproblemen, sie stellt sich vor und spricht von ihren Eltern. Ihre Schwester habe alles richtig gemacht, sie sei gleich nach dem Studium in die Heimat zurückgekehrt und habe geheiratet, ein sehr attraktiver Mann, der an einer Eliteuni des Heimatlandes studiert habe und nun zum akademischen Lehrkörper der Fakultät gehöre. Sie selbst habe die Eltern enttäuscht. Diese würden es gerne sehen, wenn sie heiraten und Kinder bekommen würde, sie würden immer wieder fragen, ob sie vor ihrem Tod noch Enkelkinder sehen würden, ob ihnen Allah dieses Geschenk noch machen könne. Warum sie sich so aufhalte, sie solle doch nun einen Betriebswirt heiraten, der die Firma des Vaters mit aufbauen und irgendwann übernehmen solle.   

In diesem Fall wird eine Partnerschaft als eine Hochzeit zwischen Familien und nicht zwischen zwei Menschen gesehen, es spielen viele Aspekte eine Rolle wie die Pflicht auch an das Wohl der Eltern und an die Firma des Vaters und an den Ruf der Familie und deren Existenzgrundlage bzw. an die Freude der Mutter und ihren sehnlichsten Wunsch nach einem Enkelkind zu denken. 

Die Eltern sind die treibende Kraft und die Hochzeit wird zu einem großen gesellschaftlichen Ereignis, was von langer Hand strategisch geplant wird und viele Gäste sind eingeladen und Zeugen der guten Entscheidung. Die Kinder beugen sich dem Interesse der ganzen Gemeinschaft und nehmen den vorgeschlagenen Partner, wenn dieser auch für alles vorzeigbar und ein "Gewinn" für die Familie ist. 

Zum Umgang mit Tradition wurden 3 Typen entwickelt (frei nach Nossrat Pesechkian aus dem Buch "Wenn du willst, was du noch nie gehabt hast, dann tu, was du noch nie getan hast")

der mumifizierte Typ:
Die Beziehung zu Tradition ist gut, sie ist die Leitlinie des Lebens. Man übernimmt die Normen und Regeln der Eltern, hält an ihnen fest und vertritt sie vehement, auch wenn sich die äußeren Bedingungen geändert haben. Dieser konservative Umgang bietet einen klaren Standpunkt. Der Preis den man zahlt ist Starrheit, Fixierung und Verabsolutierung.

der revoltierende Typ:
er wendet sich kategorisch von den alten Traditionen und Wertvorstellungen ab und möchte sie am liebsten wie ein altes Kleid abstreifen. Der Verzicht auf tradierte Bewältigungsstrategien bietet die Chance neue, eigene und damit zeitentsprechende Lösungsmöglichkeiten zu entdecken. Hier kann der Preis dafür Unsicherheit, soziale Isolierung und im schlimmsten Falle die der Austausch der eigenen Tradition mit anderen, in deren Bann diese Mensch auf seinem Weg geraten kann. 

der indifferente Typ: 
Dieser wiederum möchte einerseits an den Traditionen festhalten, sie aber sich auch von ihnen befreien. Es entstehen Konkurrenzsituationen zwischen der Herkunftsfamilie und der eigenen Alltagsrealität. Mitunter gelingt die integration der neuen und der alten Welt. Dieser Typ kann versuchen es allen recht zu machen um den Preis innerlich zu zerreißen, da er manchmal versucht Unvereinbares zu vereinen. 


Wie geht man in der Therapie vor?

Erst mal muss man identifizieren zu welchem Typ man gehört. Dann Fragen Sie sich: Welche Möglichkeiten der sozialen Beziehungen läßt das Traditionskonzept zu? Welche fordert es gar und welche werden blockiert? Welches Instrumentarium steht mir zur Verfügung mich im Rahmen meines Traditionskonzeptes sinnvoll weiterzuentwickeln?  

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